2024-04-21

Leica (IA)

Es gibt definitiv einen Leica Mythos und ich habe mich lange geweigert, beim entsprechenden Leica Hype mitzumachen. Hype in dem Sinne, dass ihre Bedeutung für die Fotografie und insbesondere die Kleinbildfotografie übertrieben wird. Viele Menschen kennen die Leica als Kamera und nicht wenige davon glauben, dass mit ihr die Kleinbildfotografie begonnen hat oder sie deren wichtigste Erfindung war. Leicas (oder auch alles Leitz-Zubehör) erzielen viel höhere Sammlerpreise als vergleichbare Konkurrentinnen. Natürlich ist auch die teuerste Kamera der Welt eine Leica (aus der Null-Serie, 14.4 Millionen Euro). Das meiste an dieser Überhöhung ist Quatsch: Die Leica war weder die erste Kamera, die man in die Tasche stecken konnte, noch die erste für den perforierten 35mm Film, noch die mit dem besten und schärfsten Objektiv, etc... aber einen wahren Kern hat es doch und darum gehört diese Leica IA ab sofort in meine Sammlung.
Diese zunächst nur Leica genannte Kamera kam 1925 als erste kommerziell verfügbare Kleinbildkamera für das Format 24x36 mm auf perforiertem 35 mm-Kinofilm auf den Markt und hat damit erstmal eine Idee in die Welt gesetzt, der andere zum Teil erfolgreicher gefolgt sind. In den ersten Jahren gab es verschiedene Varianten, die später mit den Typbezeichnungen A-G unterschieden wurden, mit Erscheinen der Leica II (Typ D, mit eingebautem Entfernungsmesser) wurden alle Kameras ohne solchen als Modell I bezeichnet. Daher wird diese ursprüngliche Leica meist als Leica IA geführt.
Leica IA, Schnittzeichnung
Diese Leica war von Beginn an eine sehr "fertige" Kamera, weil ihr Erfinder Oskar Barnack schon mehr als 10 Jahre an ihr getüftelt und entwickelt hatte, sein Chef Ernst Leitz sich aber lange nicht traute, tatsächlich den Schritt auf den Markt zu wagen. So gab es 1923 eine Nullserie von ca. 20 Kameras, die heute Millionenpreise aufrufen, wenn mal wieder eine davon unter den Hammer kommt. Ab 1925 kam diese Version hier in die Fotoläden, von 1926 an mit dem nun Elmar genannten Leitz'schen Tessar-Klon. Die Verkäufe waren zunächst schleppend, vermutlich auch, weil Kinofilm zwar grundsätzlich, aber eben nicht überall in den Läden verfügbar war. Es sind auch die Jahre, in denen die Qualität des Schwarzweissfilms langsam das Niveau erreicht, wo Kleinbildnegative anfangen Sinn und Spaß zu machen. 
Bis Ende 1927 wurden gerade einmal ca. 4500 Kameras verkauft und Leitz bewies Geduld. Erst ab 1928/1929 ziehen die Produktionszahlen und Verkäufe merklich an und Ende 1930 hat Leitz schon mehr als 50.000 Kameras an den Mann gebracht und in alle Welt verkauft. Mein Exemplar mit der Seriennummer 40009 hat zum Beispiel die feet-Entfernungsskala und das Bodenscharnier ist mit open und close beschriftet. 1928/1929 wird auch den anderen Kameraherstellern langsam klar, dass dieser Mikroskophersteller aus Wetzlar da was Neues hat, für das die Menschen bereit sind (relativ viel) Geld auszugeben. Was dann ca. 1930 passiert, habe ich an anderer Stelle schon beschrieben: Fast alle wichtigen Kamerahersteller sprangen auf den Kleinfilm-Zug auf und brachten eigene Modelle. Die meisten setzten auf bekannte Designelemente und Technologien, wie den (Compur-) Zentralverschluss oder den Balgen. Heraus kam eine ganze Klasse von 3x4-Kameras für den 127er Rollfilm, der viel einfacher zu händeln war als der rückseitenpapierlose 35 mm Kinofilm. Diese Kameraklasse erlebte 1930 bis 1932 eine kurze Blüte, um dann eben so schnell wie sie gekommen war wieder zu verschwinden.  
Die Leica eingerahmt von der Krauss Peggy (links) und der Beira, beide ab 1931 auf dem Markt und die ersten, die sich nach der Leica an den 35 mm Kinofilm für 24x36 trauten. Die wichtigste Konkurrentin kam erst 1932 auf den Markt und fehlt mir noch in der Sammlung: Zeiss Ikon's Contax.  
Der technische Vorsprung, den Leitz bei den beiden wesentlichen Elementen der neuen Kamera vor der Konkurrenz hatte muss immens gewesen sein. Sowohl beim 35mm-Filmhandling (Rollfilm mit Rückseitenpapier ist viel einfacher!) als auch beim Schlitzverschluss dauerte es 6 ganze Jahre bis 1931 die ersten Konkurrenten das eine (Krauss Peggy bzw. Beira) oder das andere (Foth Derby) anboten. Die erste und mittelfristig einzige Konkurrentin, die beides hatte hieß Zeiss Ikon Contax und kam erst 1932. Da hatte Leitz mit der Leica II schon die nächste Generation und Innovation auf dem Markt. Das ist sicher Grundlage für den Mythos und auch Hype um die Leica: Leitz hat auch bei dem anschließenden Aufbau der Leica als Systemkamera mit Wechselobjektiven stets sein Ding gemacht und hohe Qualität abgeliefert, und sich schließlich konsequent in dieser Highend-Nische (auch preislich) eingerichtet. Der Kleinbildfotografie zum endgültigen Durchbruch verholfen hat allerdings Kodak mit seiner günstigen Retina von 1934 und der dazu gehörigen 135er Patrone, die in alle gängigen anderen KB-Kameras passte, auch in diese Leica hier.

Das Charakteristische an diesem ersten kommerziell erfolgreichen Leica-Modell ist das fest zur Kamera gehörende Objektiv. Man kann es zwar über den Schneckengang ganz abschrauben, aber das später zu allen Nachfolgemodellen gehörende M39-Wechselgewinde hat es noch nicht. Von weitem kann man dieses Modell IA an dem Infinity-Lock (Unendlich-Feststeller) links neben dem Objektiv erkennen. 
Im Vergleich zu manch anderen Kameras aus der Zeit gibt es zur Leica unglaublich viele und wohl auch genaue Informationen, vieles davon ist auch im Internet zu finden, ich will das hier nicht widerkauen (siehe die wichtigsten Links unten in der Tabelle). 
Mein Exemplar ist tatsächlich die teuerste gebrauchte Kamera, die ich bisher erworben habe. Ich habe aber trotzdem vergleichsweise ein Schnäppchen gemacht und am unteren Rand der üblichen Preisspanne zuschlagen können. Sie hat, wie man auf den Fotos hier sieht, eine schöne Gebrauchspatina und funktioniert noch. Sie bekommt in der Vitrine natürlich den Platz der ihr gebührt, neben ihren Konkurrentinnen aus der Zeit.

Datenblatt Erste kommerziell erhältliche Kleinbildkamera (24x36 mm) auf perforiertem 35 mm Kinofilm
Objektiv Fest eingebautes, versenkbares Leitz Elmar 50 mm f/3.5 (4 Linsen in 3 Gruppen, Tessar Typ). Kamera war anfangs mit dem Anastigmat/Elmax 50 mm f/3.5 (5 Linsen) und ab 1930 auch wahlweise mit dem Hektor 50 mm f/2.5 erhältlich. Blendenskala 3.5-4.5-6.3-9-12.5-18
Verschluss Horizontaler Tuchschlitzverschluss Z-20-30-40-60-100-200-500 1/s
Fokussierung Manuell, komplettes Objektiv per Schneckengang, kürzeste Entfernung 2.5' (80 cm). Unendlich-Feststeller. Entfernungsmessung per optional erhältlichem Zubehör (FODIS) für den Zubehörschuh, ansonsten: Schätzen. 
Sucher einfacher optischer Fernrohrsucher
Filmtransport per Drehrad, gekoppelt mit Verschlussaufzug, Bildzählwerk (vorwärts), Rückspulrad.
sonst. Ausstattung Zubehörschuh (für Entfernungsmesser), Stativgewinde 1/4'', Gewinde für Selbstauslöser ("Leica-Glocke")
Maße, Gewicht 132x66x39 mm, 442 g (ohne Filmkassette)
Baujahr(e) 1925-1936 (ab 1932 keine nennenswerte Produktion mehr), 56548 Exemplare, über 44.000 davon in den Jahren 1929-1931. Diese #40009: 1930.
Kaufpreis, Wert heute 230 RM (1930, inkl. 3 Filmkassetten), Zubehör: FODIS 22 RM, Ledertasche: 18 RM. Wert heute (Elmar): ca. 800-1200 € je nach Zustand und Zubehör. Kameras mit 4-stelliger Seriennummer ca. das doppelte davon, Kameras mit Elmax ca. 15000€.  
Links Camera-Wiki, WikipediaLeica A (Pacificrim), Peter Lausch‘s Leica Story, Cameraquest
Bei KniPPsen weiterlesen Leica III und Vorkriegs-Produktionszahlen, Das plötzliche Verschwinden der 3x4 Kameras, Contax II, Korelle K

2024-04-04

Korelle 4.5x6


Eine etwas ramponierte und nicht mehr voll funktionstüchtige Korelle kreuzte neulich meinen Weg. Grund genug, sie hier kurz zu dokumentieren. Das Dresdener Kamerawerk Franz Kochmann produzierte in den 1930er Jahren eine ganze Reihe praktischer und auch erfolgreicher Kameras, die alle Korelle hießen. Die berühmteste und erfolgreichste von ihnen war die Reflex-Korelle (ab 1935). Begonnen wurde die Serie 1931 mit der kleinen Korelle 3x4, die von der Korelle K abgelöst wurde. 
Slow-Motion vom Ausfahren der federgespannten
Spreizenkonstruktion und des Balgens. 
Dann gab es ab ca. 1932 insgesamt 3 verschiedene Rollfilmkameras und eine kleine Plattenkamera mit diesem Namen, die sich alle den charakteristischen federgespannten Spreizenmechanismus und auch andere gemeinsame Details (wie zum Beispiel das 75 mm Objektiv) teilten:

* Die seltenste (und heute wertvollste) ist die Plattenkamera Korelle P für die kleinen 4.5x6 cm Glasplatten oder Planfilme. Gut zu erkennen an ihrer eckigen Erscheinung.
* Die wohl häufigste ist die Korelle 4x6.5 für 8 querformatige Aufnahmen auf A8 (127er) Film. Auf der Rückseite gibt es genau ein rotes Filmzähl-Fensterchen. Wie bei der Korelle P klappen die Spreizen parallel zur Kameraoberseite (horizontal) ein.
* Aber Achtung: Letztere bitte nicht verwechseln mit der Korelle 4.5x6 für 16 hochformatige Aufnahmen auf 120er Rollfilm. Das ist diese Kamera hier, vermutlich die zweit-häufigste Variante. Da es sich quasi um eine Halbformatkamera für den eigentlich für 6x9 konfektionierten Film handelt gibt es auf der Rückseite entsprechend ZWEI rote Filmzähl-Fensterchen.
* Von dieser gibt es eine von Vorne äußerlich kaum zu unterscheidende Schwester Korelle 6x6. Deren Rückseite ziert ein spezielles Filmzählwerk (12 Aufnahmen 6x6 cm), da damals der 120er Film (noch) nicht für 6x6 konfektioniert war. Bei beiden 120er Kameras klappen die Spreizen senkrecht zur Kameraoberseite (vertikal). 

Kochmann Anzeige von 1934.

Die beiden 120er Kameras kamen angeblich 1933 auf den Markt und wurden wohl bis Kriegsausbruch 1939 produziert. Meine Kamera hat ein Schneider Xenar 7.5 cm f/2.8 mit der (rückseitigen) Seriennummer #1676660, die recht genau 1939 zugeordnet werden kann. Für den Compur Rapid #5459540 spuckt mein Tool 1937 aus. Die Kameras selbst haben leider keine eigene Gehäusenummer, so dass ein Schätzen der Produktionszahl sehr schwierig ist. Basierend auf heutigen Sammlerpreisen und anderen Vergleichen würde ich mal von einer mittleren 5-stelligen Zahl ausgehen (für alle Varianten zusammen). 
Während der 1930er, speziell ab 1933 als es wirtschaftlich nach der Krise wieder aufwärts ging war die Vielfalt an Kameratypen besonders groß und es wurde viel Neues ausprobiert. Die alten Plattenkameras wollte niemand mehr, Rollfilm oder gar Kleinbild waren angesagt. Das Rollfilmformat, was sich am meisten durchsetzte, war 6x9 cm auf 120er oder 620er Film. Diese Negative konnten einfach per Kontaktkopie abgezogen werden. Aber auch  4.5x6 (120er) oder 4x6.5 (127er) erschienen als gerade noch akzeptable Kleinbildalternative. So entstand ein Markt für diese Kameras, die nicht so teuer wie echte Kleinbildkameras und nicht so klobig wie die 6x9 Kameras waren. Die direkten Korelle Konkurrentinnen hießen Voigtländer Virtus, Welta Perle, Certo Dolly, Beier Precisa oder ZI Nettar und ein paar andere. Zum Ende des Jahrzehnts verlor der 127er Film immer mehr an Bedeutung, dafür wurde 6x6 populärer, was auch der Grund für die verschiedenen Korelle Varianten gewesen sein wird.

Meine Kamera wurde definitiv intensiv benutzt, zu sehen am Lack und Leder, beides schon sehr strapaziert. Außerdem fehlen ein paar Schräubchen etc. und der Verschluss hängt halb offen, vermutlich ein gescheiterter Reparaturversuch eines Vorbesitzers. Ich hatte kurz überlegt, ob sich eine Reparatur lohnt, mich dann aber dagegen entschieden. Sie passt aber auch so schön in meine Sammlung und mal sehen, ob sich noch weitere Kochmann Kameras dazugesellen…

Datenblatt Rollfilm-Spreizenkamera für 4,5x6 cm Negative auf 120er Rollfilm
Objektiv Schneider Xenar 7,5 cm f/2.8 (4 Linsen, 3 Gruppen), Kamera auch erhältlich mit anderen 75mm Objektiven, siehe Anzeige unten.
Verschluss Compur Rapid, T-B-1-2-5-10-25-50-100-200-400 1/s. Einfachere Objektivvarianten auch mit Pronto-S oder Vario Verschluss.
Fokussierung Am Objektiv, per Frontlinsenverstellung, kleinste Entfernung: 90 cm.
Sucher Optischer Fernrohrsucher, aufklappbar.
Filmtransport Mittels Drehrad, zwei rote Fenster für Rückseitenpapier-Nummern
sonst. Ausstattung Zubehörschuh (für Entfernungsmesser), Stativgewinde 3/8‘‘, Tiefenschärfetabelle, eingebaute Objektivschutzkappe/Sonnenblende
Maße, Gewicht 122x77x34 mm, 556 g
Baujahr(e) 1933-1939, diese hier ca. 1939. 
Kaufpreis, Wert heute 95 RM, je nach Zustand 30-100 €.
Links Camera-wiki, Mike Eckman (Korelle 6x6), fotohistoricum.dk, Franz Kochmann
Bei KniPPsen weiterlesen Korelle 3x4, Korelle K Certo Dolly VPReflex-Korelle, Beier Precisa


2024-03-22

Krauss Peggy (Typ Norm)

Die Krauss Peggy gehört zu den wenigen frühen Leica Konkurrentinnen und damit in jede anspruchsvolle Kamerasammlung. Ich habe wirklich schon ein paar Jahre nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau gehalten und endlich zuschlagen können. Bei mir reiht sie sich ein in die schon ganz stattliche Sammlung an 3x4-Kameras (127er Rollfilm) und natürlich anderen frühen Kleinbildkameras für den 35 mm Film (Leica III, Beira, Retina I, Dollina, und andere). Die Peggy wurde 1931 vorgestellt und kam wohl letztlich Ende 1931 oder Anfang 1932 auf den Markt. Sie ist technisch eine interessante Mischung aus traditionellen Elementen wie die Scherenkonstruktion zum Ein- und Ausfahren des Objektivs, (damals) modernen Merkmalen wie Gehäuseauslösung sowie wirklich innovativen Dingen wie das Filmmesser oder das "Geheimfach" für den Gelbfilter. 
Die Leica war 1931 schon ein paar Jahre auf dem Markt und setzte einen hohen Standard bezüglich Qualität und Bedienung. Im Vergleich zur Beira, die als einzige andere frühe 35 mm Konkurrentin technisch nicht wirklich mithalten konnte, zeigte die Peggy ernsthafte Ambitionen, Leitz die Kundschaft abzunehmen. Zwar gab es den üblichen Compur-Zentralverschluss (gut versteckt hinter der Frontplatte) und fest eingebaute Normalobjektive, dafür ein fast schon nach Zeiss Ikon anmutendes Filmhandling mit speziellen Patronen, die wie damals üblich in der Dunkelkammer geladen wurden. Rückspulen war nicht vorgesehen, dafür war die geschlossene Zielpatrone da. Mit dem eingebauten Messer konnte der Film an beliebiger Stelle geschnitten und der schon belichtete Teil entsprechend entwickelt werden. 




Fokussieren tut man mit dem rechten Drehknopf auf der Gehäuseoberseite, das macht natürlich am meisten Sinn mit einem gekoppelten Entfernungsmesser, das entsprechende Modell hieß Peggy II und kam wohl nicht lange nach dem ursprünglichen, allgemein Peggy I genanntem Modell auf den Markt. Aber auch Peggy I Kameras konnten nachträglich (natürlich gegen Aufpreis) mit einem solchen nachgerüstet werden. Frühe Kameras (sowohl Peggy I als auch Peggy II) hatten einen automatischen Verschlussaufzug, der beim Einfahren des Objektivs mit den einklappenden Scheren den Zentralverschluss spannte. Eigentlich eine tolle Sache, die zusammen mit der eingebauten Doppel- und Leerbelichtungssperre ein durchdachtes Konzept abgab. Allerdings gab Krauss dieses Feature relativ schnell wieder auf (vielleicht schon Ende 1932). Warum, bleibt im Trüben. Ob sich zu viele Kunden beschwert haben, die nicht zwischen jeder Aufnahme das ganze Objektiv ein- und wieder ausfahren wollten? Oder ob es zu viele technische Defekte an dem Mechanismus gab? Oder ist gar ein Wettbewerbspatent für eine solche Automatik aufgetaucht? Oder, vielleicht ganz einfach: Es war zu teuer in der Produktion. Jedenfalls gab es an den späteren Kameras ab ca. 1933 wieder den traditionellen Hebel zum Spannen des Verschluss', sowohl bei der Peggy II als auch bei der nun Peggy (Typ Norm) genannten Kamera hier. 
Die Krauss Peggy umrahmt von ihren Konkurrentinnen auf dem neu entstehenden Markt der Kleinbildkameras. 1934 hätte man in einem Fotogeschäft diese Wahl gehabt: Die hier abgebildete Leica III (inkl. Summar f/2) für 367,- RM, die Peggy für 125,- RM und die Kodak Retina wie abgebildet mit dem Compur Rapid für 85,- RM. Eine nach Peggy-Spezifikation ausgestattete Leica Standard hätte 167,- RM gekostet. Die Peggy war ähnlich solide und komplex gebaut wie die Leica und kostete in der Herstellung vermutlich ähnlich viel, konnte fotografisch aber ungefähr genau das selbe, was auch eine Retina lieferte. Diese war nicht nur 40% billiger, sondern passte auch besser in die Jackentasche.

Geöffnete Peggy und ihre spezielle Patrone, die andersherum eingesetzt
auch den belichteten Film wieder aufnimmt. Kein Rückspulen also!
Normale 135er Patronen passen auch als Filmquelle, wie man sieht.
Über die kleine Kameraschmiede G.A. Krauss aus Stuttgart habe ich schon in meinen beiden Beiträgen zur Rollette was geschrieben. Gegründet 1895 als Fotohandelsgeschäft von Gustav Adolf Krauss (*27.5.1863 +3.5.1929) in Stuttgart begann man ca. 1920 mit eigener Kamerafertigung. Mit bis zu 50.000 Rolletten war man am Ende der 1920er Jahre erfahren und wohl auch groß genug, um sich an das Wagnis Kleinbildkamera zu begeben. Aber vielleicht war auch ein wenig jugendliche Naivität dabei, gepaart mit dem allgemeinen Aufbruch der Kameraindustrie Richtung Kleinbild.  1929 war nämlich der Firmengründer Gustav Adolf Krauss im Alter von 66 Jahren gestorben und sein damals 28-jähriger Sohn Eugen übernahm die Leitung. Dieser darf nicht verwechselt werden mit Gustav Adolfs 6 Jahre älterem Bruder Eugen, der in Paris schon ab 1882 eine eigene Fotofirma betrieb. Der junge Eugen Krauss hatte jedenfalls technisch und feinmechanisch einiges auf dem Kasten und hat wohl die Peggy mehr oder weniger im Alleingang entwickelt. Jedenfalls zeugen eine ganze Reihe von Patenten von seinem Talent und seinem Ideenreichtum. Das Basispatent DRP 528942 wurde noch unter der Firma G.A. Krauss im Februar 1929 angemeldet, alle späteren Anmeldungen tragen stolz den Namen Eugen Krauss als Erfinder. Weitere Patente betreffen die Filmkapsel, die zur Filmkapsel gehörige Kamera, Scherenmechanismus, Führungsschienen der Filmkapseln, Bildzählwerk und Vorschubmechanismus, Fokussierung bei geschlossenem Gehäuse, Belüftungsöffnungen, das Filmmesser (Abschneidevorrichtung), und einige mehr. Eine sehr ansehnliche Zahl von wirklich innovativen Details stecken also in dieser Kamera und es ist wirklich erstaunlich, dass dieser kleine Hersteller mit nur ca. 8 Jahren "Rollette"-Erfahrung diese technische Meisterleistung tatsächlich auf den Markt gebracht hat. 
Abbildung des Kamerakonzepts aus der Basisanmeldung vom 12. Februar 1929. Bis Ende 1931 werden noch ca. 15 Details zur Kamera angemeldet und patentiert. 


Leider kam die Peggy zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. 1932 war in Deutschland das schlimmste Jahr der Weltwirtschaftskrise und die Industrieproduktion brach nochmal gegenüber dem schon schwierigen Vorjahr um 40% ein. Es herrschte Massenarbeitslosigkeit und auch die weltweit führende deutsche Kameraindustrie hatte arg zu kämpfen, wie man an den Beispielen der Produktionszahlen von Krauss' Stuttgarter Konkurrenten Nagel und der deutschen Objektivproduktion sehen kann. Der Kameramarkt stand außerdem an einem Umbruch, der vielleicht sogar mit der digitalen Fotorevolution der letzten Jahrhundertwende vergleichbar ist. Bis Ende der 1920er Jahre dominierte noch die Glasplatte bzw. der Planfilmpack die Profi- und Amateurfotographie, Plattenkameras wurden ab 1930 plötzlich zu Ladenhütern und Rollfilmkameras übernahmen den Amateurmarkt. Die Filmqualität war endlich reif für kleine Negative und 1930 bis 1932 buhlten 18 neue Kleinfilmkameras sowohl für 127er Film als auch den 35 mm Kinofilm um die Gunst der Kunden. 

gesichtete
Seriennummern
Für den kleinen Kamerahersteller Krauss musste es in einer solchen Situation besonders schwer gewesen sein, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten, zumal mit einem einzigen High-End Produkt, das sicher hohe Produktionskosten hatte. Hätte man noch eine einfachere und preiswertere Basiskamera produziert (z.B. eine Rollette für 120er Film?), dann wäre es vermutlich einfacher gewesen. Der Vergleich mit den beiden größeren Stuttgarter Konkurrenten lohnt: Contessa-Nettel hatte die Piccolette und Cocarette und war seit 1926 Nutznießer der internen Zeiss Ikon Konsolidierung, hatte also genug Kapital im Rücken. Nagel wurde zwar erst 1928 gegründet, produzierte aber aus dem Stand ein ganzes Portfolio von Rollfilmkameras. In der wirtschaftlichen Klemme 1931/1932 begab sich Nagel unter das schützende Kapitaldach von Kodak und überlebte so nicht nur, sondern konnte 1934 mit der Retina den ganzen Markt mit einem Kampfpreis von 75 RM aufmischen. Ich denke, damit wird verständlich, warum Krauss die Kameraproduktion Ende 1935 nach nur ein paar Tausend Peggy-Exemplaren einstellen musste und damit wieder zu einem einfachen Fotohandelsgeschäft wurde.

Die Zahl der jemals produzierten Peggy Kameras wurde übrigens von einer Quelle auf 10- bis 15-Tausend Stück geschätzt. Ich persönlich glaube, es waren weniger. Argument 1: Selbst in besten Rollette-Zeiten (1928-1931) hat Krauss nicht mehr als ca. 5000 Kameras pro Jahr produziert. Die Peggy ist deutlich aufwändiger und ich denke es werden maximal 2000 Stück pro Jahr drin gewesen sein, zumal in den oben geschilderten Zeiten der Rezession. Argument 2: Schaut man sich die seltsamen Seriennummern im Boden der Kameras an, findet man folgendes Muster: X1xx/y, mit X: Buchstaben zwischen A und O (15 Möglichkeiten), gefolgt von immer der "1", dann eine zweistellige Zahl (99 Möglichkeiten), der Schrägstrich und y: Zahlen zwischen 2 und 5 (4 Möglichkeiten). Ergibt: 15 x 99 x 4 = ca. 6000. Quelle: 17 Seriennummern aus dem Internet.

Ich persönlich bin wirklich froh, dieses seltene Schätzchen jetzt in der Vitrine neben ihren anderen 90-jährigen Zeitgenossen stehen zu haben. Da sie noch tadellos funktioniert, riskiere ich vielleicht auch mal einen Film, ich werde natürlich berichten... 

Datenblatt Frühe Kleinbildkamera für 35 mm Kinofilm
Objektiv Schneider Xenar 5 cm f/3.5 (4 Linsen, Typ Tessar). Serien-Nr. 595451 (1933). Auch erhältlich mit Zeiss Tessar f/2.8 und f/3.5, Zeiss Biotar 4.5 cm f/2, Schneider Xenon 4.5 cm f/2, Meyer Primotar f/3.5, Meyer Makro-Plasmat f/2.7.
Verschluss angepasster Deckel Compur Zentralverschluss hinter Frontplatte. B-1-2-5-10-25-50-100-300 1/s. Serien-Nr. 2893007 (1933). Verschlussspannen mit separatem Hebelchen. Frühe Peggy Kameras hatten stattdessen einen automatisierten Verschlussaufzug durch Ein- und Ausfahren der Objektivscheren (siehe Text).
Fokussierung mittels Drehrad auf der rechten Kameraoberseite, kleinste Entfernung 0.90 m. Modell Peggy II (oder Umbau) mit gekoppeltem Entfernungsmesser.
Sucher einfacher optischer Fernrohrsucher
Filmtransport mit Drehrad auf der linken Kameraoberseite. Film wird von spezieller Patrone in eine 2. Patrone transportiert, daher keine Rückspulen vorgesehen. Bildzählwerk (vorwärts), eingebautes Messer zum Filmabschneiden.
sonst. Ausstattung Zubehörschuh, Gehäuseauslöser mit Doppelbelichtungs- und Leerbelichtungssperre. "Leica Glocke"-Gewinde für Drahtauslöser, Stativgewinde 3/8'', Fach zur Aufbewahrung des Gelbfilters im Filmtransportdrehrad. 
Maße, Gewicht ca. 135x74x38 mm, 660 g (inkl. 2 Filmpatronen).
Baujahr(e) 1931-1934 (alle Peggy Modelle), diese # L160/4 ca. 1933, ca. 6000-8000 Exemplare (alle Varianten).
Kaufpreis, Wert heute 125 RM, heute je nach Zustand und Ausstattung 400 - 1000 €.
Links Camera-Wiki, Mike Eckman, earlyphotography, Leitzmuseum.org, Deutsches Kameramuseum
Bei KniPPsen weiterlesen Krauss Rolette, Krauss Rolette (2), 3x4 Kameras der frühen 30erLeica IIIBeiraRetina IDollinaund andere

Seite aus Photo Porst Katalog 1935


2024-03-02

Filmhersteller - Kurzportraits (Teil 4, sonstiges West-Europa)

Hier nun zu Teil 4 meiner Serie über die Geschichte(n) der Filmhersteller. Diesmal geht es um die anderen (nicht deutschen) West-Europäer, zumindest die wichtigsten von ihnen. Links zu den anderen Teilen siehe unten in der Tabelle.

Gevaert 

Mein Gevaert 127er Rollfilm,
Ablaufdatum Sep. 1946
Lieven Gevaert (*28.5.1868, +2.2.1935) übernahm nach der Ausbildung zum Chemiker die kleine Papiermanufaktur seiner Familie und produzierte dort ab ca. 1890 Fotopapier. 1894 gründete er mit seinem Partner Armand Seghers die Firma L. Gevaert & Cie, die nach einiger Zeit einen Pariser Wettbewerber übernahm (Blue Star Papers), die ein hervorragendes Gelatine-Papier hatten. 
Die Firma war sehr erfolgreich und schon 1904 zog man aus (dem engen und dreckigen) Antwerpen nach Mortsel um, auf ein großes Produktionsareal, das noch heute Sitz der Nachfolgefirma ist. Wann genau mit der Filmherstellung begonnen wurde, kann ich nicht genau nachvollziehen. Jedenfalls gibt es erste Rollfilmpatente von Lieven Gevaert aus 1919. 1920 wird die Firma in Gevaert Photo-Producten N.V. umbenannt und in den 20er und 30er Jahren wird man zu einer der wichtigsten europäischen Fotofirmen. Schon vor dem 1.  Weltkrieg hatte man Vertriebsniederlassungen in Paris, Wien, Berlin, Mailand, Moskau, London und in Südamerika gegründet. 
1928 kommt ein zweiter Produktionsstandort für die Filmunterlage (erst Nitrozellulose, später Triacetylzellulose)  in Heult bei Westerlo dazu. Ab 1935 bildet man mit Voigtländer das Joint Venture Voigtländer-Gevaert GmbH mit Sitz in Berlin. Gespräche mit Fujifilm in Japan über eine engere Zusammenarbeit scheitern, zeigen aber sehr schön, dass Gevaert damals in der 1. Liga der Filmhersteller mitspielte. Auch Kameras trugen einige Zeit den Markennamen Gevaert, diese ließ man allerdings im Lohn von kleineren Herstellern bauen. Auch ich habe eine davon von meinem Großvater geerbt
Während die großen Konkurrenten sich vornehmlich auf den Massenmarkt konzentrierten, eroberte sich Gevaert schon früh bestimmte Hightech-Nischen:  1929 wurde der erste Röntgenfilm vorgestellt, 1935 ein spezielles Papier für Dokumentenfotografie. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Gevaert zum Weltmarktführer in der Röntgenfilmtechnologie, produzierte Filme mit herausragenden technischen Merkmalen und nahm in den 1950er Jahren Filme und Platten für Astronomen und Kernphysiker ins Programm. Auch in den Bereichen Infrarotfotografie und Mikrofotografie (später Mikrofilm) machte man sich einen Namen.
In den 1950er Jahren bemühte man sich auch um eine Übernahme der am Boden liegenden Agfa in Deutschland, was allerdings scheiterte und schließlich in die 1964er Fusion beider Firmen in Form einer gegenseitigen Überkreuzbeteiligung mündete. Fortan gab es eine Agfa-Gevaert AG in Leverkusen und eine Gevaert-Agfa NV in Mortsel. Die Geschichten um den Niedergang der Filmindustrie ab den 1990er plane ich ein anderes Mal aufzubereiten. Jedenfalls existiert heute noch in Mortsel eine Agfa-Gevaert NV, die sich u.a. um die eben genannten Hightech-Nischen kümmert.  

Lumiere

Die Brüder Auguste und
Louis Lumiere
Die Société Lumière, wie die Firma ab 1928 (nach dem Tod von Joseph Jougla) und bis zu ihrer Fusion mit Ilford hieß, bestand schon seit 1911 und trug zunächst den sehr sperrigen Namen Union Photographique Industrielle des Etablissementss Lumière et Jougla reunis. Daran kann man schon ablesen, das es zwei Wurzeln gibt: 

1) die 1884 gegründeten Etablissements Graffe & Jougla, die sehr erfolgreich die Trockenplatten der Marke As de Trèfle produzieren und vermarkten. Ab 1900 wird die Firma nach dem Tod von Graffe durch Joseph Jougla alleine geführt und zieht in eine neuen Fabrik in Jointville-le-Pont bei Paris, der auch später ein Produktionsstandort von Lumiere bleiben sollte. 

2) die 1882 gegündete Firma Société Antoine Lumière et ses fils in Lyon, wobei die genannten Söhne die berühmten Brüder Auguste und Louis Lumière sind. Deren Geschichte ist faszinierend und ihre Bedeutung für die Entwicklung des Kinos und damit natürlich des fotografischen Films enorm, würde aber diesen Rahmen hier sprengen.
Auch die Lumiers produzieren zunächst erfolgreich Trockenplatten unter der Marke Blue Label. Beide Wurzelfirmen entwickeln unabhängig voneinander je ein Farbfotografie-Verfahren (Jougla: Omnicolor , Lumiere: Autochrome), und wurden schließlich durch den auch in Frankreich größer werdenden Konkurrenzdruck durch Kodak 1911 in die Fusion gedrängt. 
Ab wann genau Lumiere in Lyon tatsächlich Film auf Zelluloid hergestellt hat, konnte ich nicht herausfinden. Jedenfalls verwendeten sie schon 1895 einen 35 mm breiten Filmstreifen für die Produktion des 45 Sekunden langen Kurzfilms La Sortie de l'usine Lumière à Lyon, der die Brüder (insbesondere Louis) neben Thomas Edison zu DEN Kinopionieren macht. Aber beide haben vielfältige andere Interessen und überlassen das Kino bald anderen. Auch aus ihrer Firma ziehen sie sich in den 20er Jahren aktiv zurück und überlassen die Geschäftsführung irgendwann komplett Auguste's Sohn Henri Lumière, der die Firma bis zu seiner Pensionierung 1964 führt. Als letzte Amtshandlung hat er seine Firma an die Schweizer Ciba verkauft, die fast gleichzeitig auch die Mehrheit an Ilford übernommen hat und so neben der Chemie auch zu einem Fotounternehmen wurde (mehr dazu siehe unten bei Ilford). Die Produktion in Lyon wird 1975 eingestellt, im Werk in Paris wurden schon seit 1928 keine fotosensitiven Materialien mehr produziert, sondern Kameras, die ebenfalls die Marke Lumiere trugen. Wann dort Schluss war, habe ich nirgends gefunden. 

Pathé Frères

Die Gebrüder Pathé hatte ich lange nicht auf dem Zettel, aber der Name Pathé tauchte hier und da (z.B. bei Kodak und ferrania) auf und da habe ich doch mal genauer hingeschaut.  Wie man am Bild links sieht, gab es tatsächlich mal Rollfilme, aber Pathé war insbesondere bei der Herstellung von Kinefilm und allgemein bei der Produktion und Vermarktung von frühen Kinofilmen aktiv und in der frühen Zeit des Kinos größter Konkurrent von Eastman Kodak. Treibende Kraft war insbesondere Charles Pathé, allerdings bleiben verschiedene Wikipedia-Seiten recht wage bei den Einzelheiten rund um die Filmherstellung selbst. Ich reime es mir ungefähr so zusammen: Die Firma wird 1897 gegründet und Pathé wird schon um die Jahrhundertwende der erste große Konkurrent zu Eastman Kodak. Angeblich erreicht man beim Kinefilm 1904 einen (Welt-) Marktanteil von 30-50%. 1907 wird die neue Filmfabrik in Vincennes eröffnet, allerdings steigt zwar weltweit die Nachfrage nach Kinefilm rasant, der Marktanteil von Pathé schrumpft aber mittelfristig, weil auch andere in die Filmproduktion einsteigen (Perutz, Agfa, Lumiere, usw.), Pathé selbst gründet in Italien das Joint Venture FILM, das später zu Ferrania werden sollte (siehe unten). In den 1920er Jahren - Charles Pathé geht aufs Rentenalter zu - teilt sich der Pathé Frères Konzern in verschiedene eigenständige Firmen auf, deren Nachfolger zum Teil heute noch existieren. 1927 verkauft man das Filmwerk in Vincennes an Kodak. Charles Pathé behält eine Minderheitsbeteiligung und die Firma heißt offiziell auch Kodak-Pathé, ist de facto aber Kodak's Arm in Frankreich, genauso wie die Kodak AG in Deutschland. Von wann bis wann es Rollfilme unter der Marke Pathé tatsächlich gegeben hat, konnte ich nicht rausfinden.  

Tellko - Ciba

Viel findet man nicht zu diesem kleinen schweizerischen Filmhersteller, der 1935 in Fribourg angeblich von 3 Italienern gegründet wurde und wohl sehr anständige Schwarzweiß-Filme produzierte. Die Geschichte bekommt ab 1946 mehr Substanz, als man Wilhelm Schneider als Technischen Direktor anheuert, einer der Erfinder des Agfa-Farbfilms, dessen Rezepturen und Patente nun wegen des verloren Krieges allen Wettbewerbern zur Verfügung standen. Tellko leiht Schneider auch als Berater an Ferrania aus und ich vermute, dass zwischen den beiden Firmen sowieso eine engere Kooperation bestand. Telcolor kommt Anfang der 1950er auf den Markt, als einer der ersten Agfacolor-Klone, mit ähnlich geringen Empfindlichkeiten wie die meisten anderen Farbfilme der Zeit (13/10° DIN, entspricht heute ISO 32/16). 

Ab 1963 gibt es endlich eine neue höher empfindliche Farbfilmgeneration, die allerdings nicht mehr von Tellko selbst hergestellt, sondern von Ferrania im Lohn produziert wird. Tellko selbst wurde 1960 von der Ciba AG übernommen und bildete die Keimzelle von Ciba's weiterer Expansion als Fotokonzern. 1963 und 1964 werden eine Mehrheitsbeteiligung an Ilford und Lumiere übernommen und man baut außerhalb von Fribourg in Marly ein neues hochmodernes Fotowerk, um dort hauptsächlich Cibachrome zu produzieren, basierend auf einem ursprünglich vom ungarischen Chemiker Bela Gaspar erfundener Silber-Farbstoff-Bleichprozess, der direkte Farbabzüge vom Diafilm in hoher Qualität zuließ. 

Ilford

Das "Paddle-Steamer" Warenzeichen
wurde in Variationen von 1886 bis 1945
verwendet.
Die Firma Ilford geht zurück auf einen Trockenplatten- und Fotopapierhersteller der 1879 vom Fotografen Alfred Hugh Harman (*1841, +1913) im kleinen Ort Ilford in der damaligen Grafschaft Essex unter dem Namen Britannia Works gegründet wird. Die Firma wächst und gedeiht und bleibt fat 20 Jahre in Privatbesitz. 1898 erfolgt die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und Harman zieht sich von der Leitung der Firma zurück, bleibt aber als Berater und Teilhaber verbunden. Ein Namensstreit mit dem Konkurrenten Marion über die Marke Britannia führt letztlich (1900) zur Umbenennung der Firma in Ilford, Limited (das Komma ist wichtig).
Kodak war in Großbritannien ab 1885 mit einer Vertriebsgesellschaft aktiv und startete die eigene lokale Produktion in Harrow 1891. Es gab wohl ab 1897 einige Versuche von Kodak, Ilford zu übernehmen oder zu fusionieren, die aber am Widerstand von Ilfords Eigentümern scheiterten. Angeblich war Alfred Harman 1902 oder 1903 für eine solche Fusion, hatte aber nicht mehr genügend Einfluss. Wie viele internationale Wettbewerber hat Ilford über die Jahrzehnte (seit 1900 bis ca. 1967) auch Kameras produziert, oder meist von anderen im Lohn produzieren lassen. Viele davon waren einfache und billige Kameras, einfach zu dem Zweck Film und Foto zu den Massen zu bringen. Angeblich hatte man Ende der 50er und Anfang der 60er mit ihrer Sportsman-Serie (produziert von Dacora in Deutschland) in Großbritannien einen Marktanteil von über 50%!
 
Ab Ende der 1890er Jahre wurden wohl (Plan-)Filme auf Zelluloid-Unterlage produziert, die nicht selbst hergestellt, sondern zunächst aus den USA und später von Gevaert in Belgien importiert wurde. Ab 1912 gab es Bemühungen auch Rollfilme zu produzieren, der tatsächliche Start am Markt damit war aber erst 1915.   
In der Zeit zwischen 1918 und 1939 gewinnt Ilford, Limited schrittweise die vollständige Kontrolle über fast alle Fotounternehmen im United Kingdom mit Ausnahme von Kodak. Dies geschieht zunächst (1920) über die Selo Company, wobei mir trotz mehrfachen Lesens der Quellen unklar ist, ob damit ein Hersteller-Kartell oder tatsächliche (Überkreuz-)Beteiligungen der beteiligten Firmen, ein Joint Venture (immerhin wird in Brentwood, Essex ein neues Filmwerk gebaut) bzw. die Übernahme durch Ilford gemeint ist. Jedenfalls gehen im Laufe von 10 Jahren die folgenden Trockenplatten-, Fotopapier-, Fotochemie- und Filmhersteller in Ilford auf: Imperial Dry Plate Co.Ltd, Thomas Illingworth & Co.Ltd, Gem Dry Plate Co.Ltd, Wellington & Ward Co. Ltd, Paget Prize Plate Co. Ltd., Rajar (Apem, Ltd.). Interessanterweise wird der Name Selo ab 1930 als Marke für Rollfilm gebraucht, der im Selo Werk hergestellt wird, aber von 6 dieser Firmen inklusive Ilford irgendwie noch unabhängig vermarktet wird. Dieser Markenname wird in den 1940er und 1950er Jahren immer mehr fallengelassen, Ilford bringt Filmprodukte unter eigener Marke neben Selo-Produkten heraus. Ab 1946 tritt man selbstbewusst mit der neuen Dachmarke ILFORD auf allen Produkten auf, behält aber den Namen Selochrome für einen speziellen SW-Film bis 1968 im Programm. 

Ilford's Geschichte im zweiten Teil des 20. Jahrhunderts ist geprägt von dem Versuch, Anschluss an den Farbfilmarkt zu bekommen. Während Kodak und Agfa bekanntlich 1935/36 den modernen Farbfilm erfanden, investierte Ilford in Dufaycolor, einem additiven Film a la Autochrome, mit wenig Erfolg. Versuche ab 1938 es Agfa und Kodak nachzumachen scheiterten letztendlich am Ausbruch des 2. Weltkriegs. Auch nach dem Krieg, als die Agfa-Patente allen zugänglich waren, schaffte man es nicht richtig Fuß zu fassen. Es gab zwar 1948 einen Ilford Colour "D" Diafilm, ähnlich zu Kodachrome, aber richtig durchstarten mit Farbfilmen tat Ilford nicht. In den 1950er Jahren kooperierte man daher mit der ICI (Imperial Chemicals Industries Ltd.), DEM britischen Chemie-Konzern, der auf eigene Faust Entwicklungen zum chromogenen Farbfilm angestellt hatte und sogar Patente dazu besaß. 1959 übernimmt die ICI die Mehrheit an Ilford und Anfang der 1960 kommt Ilfocolor in die Läden.

Doch die Konsolidierung am Film- und Fotomarkt ist voll im Gange, schon ab 1963 steigt die schweizerische CIBA AG in Ilford ein und übernimmt bis 1969 die kompletten Anteile der ICI. CIBA formt aus Ilford, der zuvor schon übernommenen französischen Société Lumière und dem Schweizer Foto-Unternehmen Tellko einen neuen multinationalen, europäischen Filmhersteller. Fokus ist Cibachrome (siehe oben bei Tellko), Ciba/Ilford entwickeln das Verfahren zur Marktreife und errichten dafür ein neues hochmodernes Film- und Fotopapierwerk in Marly (Schweiz), Ilford's sonstige Aktivitäten (SW-Film, SW-Fotopapier) werden mittelfristig in  Mobberly (ehemals Rajar, s.o.) konzentriert. Die ehemaligen "Selo-Werke" in Brentwood, Essex werden schon 1983 geschlossen, Lumiere in Lyon schon 1976. Die Farbfilme (Cilcolor, Ilfocolor) sind ab den spätern 1960ern "nur" noch zugekauft (Konica !) und umkonfektioniert.
1989 verkauft Ciba-Geigy (seit 1970) seine gesamte Fotosparte als Ilford Ltd. an den amerikanischen Papierhersteller International Paper, der sie 1990 mit seiner eigenen Grafik-Papierfirma Anitec zu Ilford Anitec Ltd. fusioniert. Der Abstieg hatte aber schon begonnen, 1997 übernimmt ein Finanzinvestor, 2004 ist die Firma pleite. Die Digitalfotografie hat der Analogfotografie schneller als gedacht komplett den Wind aus den Segeln genommen. Es folgt die Aufspaltung des UK-Teils in Mobberley und des Schweizer Teils in Marly, die eine Zeitlang unabhängig voneinander am Markt mit der Marke ILFORD auftreten, jetzt beide mit z.T. digitalen Fotoprodukten wie Inkjet-Fotopapieren. Es folgen schwierige Jahre, deren Geschichte ich ein anderes Mal aufbereiten will.

Ferrania - 3M

Die Ursprünge von Ferrania gehen zurück auf das im Jahr 1882 gegründete Sprengstoffunternehmen  SIPE (Società Italiana Prodotti Esplodenti) aus Mailand, das während des 1. Weltkriegs im kleinen Ort Ferrania in Ligurien ein Nitrozellulose-Werk (Schießbaumwolle bzw. Zelluloid) errichtet. Am Ende des  Krieges stellt man auf Zelluloidfilm als Produkt um und gründet mit den Pathé Frères (siehe oben) das Joint Venture FILM (Fabbrica Italiana Lamine Milano), um dem wachsenden Bedarf an Kinefilm zu decken, der 1923 von der Firma erstmalig auf der Turiner Industriemesse präsentiert wird. 
1926 verkauft Pathè seine Beteiligung an eine italienische Bank. 1932 übernimmt man den Trockenplattenhersteller Cappelli und nennt sich schließlich Cappelli-Ferrania. Die Firma expandiert weiter unter wechselnden Besitzern, übernimmt den anderen Mailänder Trockenplattenhersteller Tensi und landet schließlich bei der in Turin ansässigen IFI (Familie Agnelli, FIAT). Ab Ende der 1930er-Jahre werden auch Kameras produziert und 1938 der Firmenname in schlicht Ferrania geändert.
Die größte Expansion und der Höhepunkt der Popularität von Ferrania erfolgt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Filme wie Ferraniacolor oder der Schwarzweißfilm Pancro 30 (P30) produziert werden. Ferraniacolor wurde nach dem Agfa-Prozess hergestellt und in Zusammenarbeit mit Tellko unter Beratung durch Wilhelm Schneider entwickelt. 
In der globalen Filmkonsolidierungsphase 1964 erfolgt die Übernahme durch die amerikanische Minnesota Mining and Manufacturing Company (3M), wonach man als Ferrania 3M weiter firmierte. Ab den 1970ern avanciert 3M neben Konishiroku zum wichtigsten Hausmarkenhersteller, bot aber auch eigene Marken wie Solaris, Dynachrome und Scotch Chrome an. Bis 2007 blieb Ferrania der einzige Hersteller von 126 „Instamatic“-Filmen, nachdem Kodak diese 1999 einstellte.
Ab 1999 gab es wieder ein paar Eigentümerwechsel und Rettungsversuche bis 2009 nach der Pleite die Produktion eingestellt wurde. Mit Resten aus der Konkursmasse und neuem Kapital wurde 2013 FILM Ferrania s.r.l. neu gegründet und produziert inzwischen wieder Filme für die wieder aufkeimende Analogfotonische.


Bei KniPPsen weiterlesen Kleinbildfotografie aus der FilmperspektiveFilmhersteller (Teil 1, Deutschlands große)Filmhersteller (Teil 2, Deutschlands kleine), Filmhersteller (Teil 3, japanische Hersteller), Gevaert Superchrom Express Film, Ilford PE Fotopapier, Ferrania Tanit
Links fr.wikipedia.org/Societe  Lumiere, Gevaert (Filmlexikon), Historic Camera (Gevaert), Ilford Chronology, Ilford history (analougewonderland)Adox in Marly

2024-02-06

Filmhersteller - Kurzportraits (Teil 3, japanische Hersteller)

Nach meinen beiden anderen Beiträgen über die 5 großen und 8 kleineren deutschen Filmhersteller dachte ich, dass ich im dritten Teil einfach den Rest der Welt abhandele. Ich habe mich also an die Japaner gemacht und schnell festgestellt, dass diese alleine einen ganzen Post füllen werden. Natürlich ist die Quellenlage eine andere und mir fällt auch die Einordnung der Fakten in den historischen Kontext deutlich schwerer als bei den Deutschen. Trotzdem fand ich es extrem spannend, die eigene Aufarbeitung der Fujifilm- Geschichte zu lesen und mit ein paar anderen Quellen abzugleichen. Neben den folgenden zwei kleinen (hier unbekannten) und den beiden großen Filmherstellern gab es in Japan vermutlich noch die eine oder andere frühe Manufaktur. Wer weitere Infos dazu hat, bitte melden.
Oriental Anzeige in einem britischen
Fotomagazin 1937


Asahi - ASK

Asahi Shashin Kōgyō K.K. (übersetzt Asahi Foto Industrie Aktiengesellschaft) war ein kleiner Fotopapier- und Filmhersteller in den 1930ern, der seinen Film und Fotoprodukte u.a. unter der Marke ASK vertrieb. Im November 1943 wurde wegen des schlimmer werdenden Krieges und seiner wirtschaftlichen Folgen Konkurs angemeldet. Angeblich blieben danach nur die folgenden drei Hersteller auf dem Markt...


Oriental

Oriental Shashin Kōgyō K.K. (Oriental Foto Industrie Aktiengesellschaft) wurde 1919 gegründet und war angeblich der erste Hersteller von Rollfilmen in Japan, vorher wurde von Konica lediglich Planfilm hergestellt. Die Anzeige rechts beweist, dass sie auch mal auf Exportmärkte abgesehen hatten, allerdings anscheinend ohne großen Erfolg. Zu Oriental gehörte wohl auch der Kamerahersteller Tōyō Kōki. Als ich nachschauen wollte, bis wann Oriental Film produziert hat, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass es sie wohl noch gibt und lesen, dass vermutlich alle Fujifilm Schwarzweißfilme inzwischen von Oriental hergestellt werden


Konica - Sakura

Konica in Japan kann man entfernt mit Voigtländer in Deutschland vergleichen: Die älteste Fotofirma am Platz, man produziert Objektive, Kameras und auch fast alle Verbrauchsmaterialien, inklusive Film und Fotopapier. Die Firma geht zurück auf eine Apotheke bzw. Drogerie, die 1873 beginnt Fotomaterialien zu produzieren und zu verkaufen. Die Details der frühen Jahren kann man woanders nachlesen, jedenfalls war Konishiroku (wie die Firma in Abwandlungen die meiste Zeit über hieß) in vielen Fällen die erste in Japan: Die erste Kamera (Cherry, 1902), die einen Namen trägt und entsprechend vermarktet wird, Trockenplatten und Planfilme aus eigener Herstellung, die erste in Serienproduktion hergestellte Kamera (Pearlette, 1925). Ab 1929 dann der eigene Rollfilm, der unter der Marke Sakura vertrieben wird. Hier war Konishiroku nach Oriental nur auf Platz 2. 1940 dann hatte man mit Sakura Color den ersten japanischen Farbfilm am Markt (nach dem Kodachrome Verfahren). 
1947 bringt man dann die erste Konica genannte Kamera (von Konishiroku Camera), nach der die komplette Firma schließlich 1987 umbenannt wird. Gleichzeitig wird auch der bisherige Film-Markenname Sakura durch Konica ersetzt. Konica spielte nach der Konsolidierungswelle der 1960er und 1970er Jahre eine solide Nummer 4 auf dem Parkett der globalen Filmherstelller (nach Kodak, Fujifilm und Agfa-Gevaert). Bekannterweise fusioniert Konica 2003 mit Minolta zu Konica-Minolta, die 2006 komplett aus dem Fotogeschäft aussteigen. Die Kameras gehen an Sony, das Filmgeschäft an Dai Nippon Printing (DNP). 2007 werden von DNP nochmal neue Centuria Filme auf den Markt gebracht, das Geschäft wohl mangels Erfolg schon 2 Jahre später wieder eingestellt. 

Fujifilm

Fuji Photo Film Co., Ltd. (heute Fujifilm Holding) wird Anfang 1934 von der Dainippon Celluloid Co., Ltd. (heute Daicel Corp.) als Tochterfirma abgespalten und beginnt im selben Jahr mit der Produktion im neu errichteten Filmwerk in Ashigara (Kanagawa Präfektur), 35 km Luftlinie vom Gipfel des Mount Fuji. Die Dainippon Celluloid war 1919 als Zusammenschluss von 8 kleineren Zelluloid-Fabriken entstanden und sind das Unterfangen "Wir erschaffen einen japanischen Filmhersteller" generalstabsmäßig angegangen. Angeblich hatten sowohl Kodak als auch Agfa 1921 in Japan Agenturen gegründet, um ihre jeweiligen Filme zu vermarkten. 1924 bietet man Kodak eine Partnerschaft an, die aber ablehnen. Daraufhin entscheidet man es auf (fast) eigene Faust zu versuchen. 
Blick auf den Fuji, aufgenommen aus dem Shinkansen von mir
selbst 2007 auf dem Weg von Tokio zu Fujifilm in Ashigara.
Dieser Blick hat wohl vor 90 Jahren die Namenswahl inspiriert.
Man sucht auf dem Land eine geeignete Stelle für die neue Filmfabrik, findet sie im ländlichen Ashigara (saubere Luft, frisches Wasser, etc.), schickt Leute nach Europa, um Maschinen zu kaufen und Know-How abzugreifen und investiert ab 1926 in den Trockenplattenhersteller Toyo Kanpan, der auf ein Fotoforschungsinstitut von Shinjiro Takahashi zurückgeht. Takahashi hatte sich schon in den 1890er Jahren mit Fotografie beschäftigt und dann 1910 sein Institut gegründet. In Europa spricht man auch intensiver mit der belgischen Gevaert, kann sich aber auch nicht auf die Bedingungen einer engeren Zusammenarbeit einigen. Dafür gewinnt man den deutschen Ingenieur Dr. Emil Mauerhoff (s. unten) und seinen amerikanischen Assistenten Francis Gilroy, die insbesondere bei den Qualitätsproblemen beim Hochfahren der Produktion 1934 helfen. Nach der Gründung der Fuji Photo Film wird die Toyo Kanpan komplett integriert und man hat somit das ganze Programm von Film über Trockenplatten und Fotopapier. 
Die ersten Jahre werden als sehr schwierig beschrieben, insbesondere weil Kodak und Agfa die Preise drastisch senken, um den neuen Wettbewerber unter Druck zu setzen. Außerdem sind wegen der anfänglich nicht ausgereiften Qualität des Films die Vorbehalte der Filmstudios groß, eigenen japanischen Film zu verwenden. Schon 1934 kauft man sich also kurzerhand ein eigenes Filmstudio als Testinstitut und um der Branche zu beweisen, dass japanischer Film anstelle von Importfilm verwendet werden kann. Man eröffnet bis 1938 weitere Standorte (z.B. Odawara) als Rückwärtsintegration in die eigenen Rohstoffe (auch Gelantine) und baute sein Produktportfolio recht eindrucksvoll aus. Im April 1937 wurden erstmals schwarze Zahlen geschrieben und die Firma zahlte ihrer Muttergesellschaft und anderen stillen Teilhabern eine erste Dividende von 6%. 
Der 2. Weltkrieg betraf Fuji Photo Film etwas anders als die deutsche Konkurrenz. Man wurde zwar auch in die Kriegswirtschaft eingebunden und musste andere Güter produzieren, profitierte aber auch durch erzwungene Zusammenarbeit mit anderen Firmen, die z.T. nach 1945 Teil von Fujifilm blieben, und konnte bis 1944 weiter forschen. Zwar wurde Tokio von amerikanischen Bombenangriffen weitgehend zerstört, die Fuji Fabriken bekamen aber vergleichsweise wenige Schäden ab. Ein interessantes Kapitel ist die versuchte Evakuierung (April 1945) des Hauptstandortes Ashigara in die damals japanisch besetzte Mandschurei (Nord-China) inkl. Maschinen und 62 Schlüsselmitarbeitern und deren Familien. Die Evakuierung scheitert, weil amerikanische Bomber die drei Transportschiffe daran hindern ihr Ziel zu erreichen. 
Fuji Color Rollfilm (1948)
Nach dem Krieg kommt man relativ schnell wieder auf die Füße und bringt schon 1948 zwei Meilensteine für den nun folgenden rasanten Aufstieg zu einem der Weltmarktführer. Zum einen natürlich FujiColor-Film auf Basis des nun offengelegten Agfa-Verfahrens, angereichert mit eigenen Entwicklungen. Zum zweiten Fuji's erste Kamera (Fujica Six), die von einer während des Kriegs übernommenen Firma prouziert wird. Fuji hatte inzwischen auch selbst optisches Glas im Portfolio und mauserte sich auch zu einem Objektivhersteller. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wächst man weiter und spielt bald in der ersten Liga der Fotokonzerne mit. 
Die internationale Expansion geht zunächst über die Gründung von Vertriebsorganisationen (Brasilien, USA, Düsseldorf 1966 für Europa, etc.) und man ärgert die großen der Branche (Kodak, Agfa) durch preiswertere Filme bei hoher Qualität. Fuji steckt viel Geld in Marketing und Werbung und ihr großer Durchbruch ist die Nominierung zum offiziellen Film der olympischen Spiele 1984 in Los Angeles. Schon 1982 hat man in Holland einen Produktionsstandort in Europa eröffnet, 1988 folgt ein großes Film- und Fotopapierwerk in South Carolina, USA mit dem man Kodak weltweit endgültig die Marktführerschaft streitig macht. 
Fuji-Logo von 1980 bis 2006
Kodak, die selbst auf dem japanischen Markt kaum ein Bein auf den Boden bekommen, fühlt sich mittelfristig so unter Druck, dass die USA sich offiziell 1995 bei der WHO darüber beschweren. Die Beschwerde wird 1998 dann aber zurückgewiesen.
Bei meinen Ausführungen hier habe ich mich auf den fotografischen Film und wenige direkt angrenzende Bereiche konzentriert. Fujifilm hat aber auch einige andere Geschäfte gemacht und für sich entwickelt. Zu nennen sind insbesondere ihre Kooperation mit Rank Xerox (Kopierer), der ganze Gesundheitsbereich (aufbauend auf Röntgenfilm, später auch Endoskopie und andere Diagnostik), sowie Computer und Halbleitertechnik. Genau diese Diversifizierung und ihre Fähigkeit sich den Marktbedingungen und -Veränderungen anzupassen, hat Fujifilm als einzigen der großen Fotokonzerne bis heute gerettet. Lange Zeit machte der Umsatz mit Film mehr als 50% aus, heute ist dieser unter 3%. Der Konzern steht heute auf den drei Säulen Health Care, Advanced Materials und Document Solutions. 

Dr. Emil Mauerhoff, 
"Entwicklungshelfer"
bei Fuji Photo Film
In ihrer Firmenchronik (publiziert zum 50. Jubiläum 1984) erwähnen Fujifilm die Hilfe eines deutschen Dr. EG Mauerhof(f), der von April 1934 bis Februar 1935 in Ashigara war und bei den Anfahr- und Qualitätsproblemen mit der fotografischen Emulsion - und damit der ganzen Firma auf die Füße - geholfen hat. Ich habe mich natürlich gefragt, woher der Mann seine Kenntnisse hatte und ob man sonst noch was über ihn finden kann. Nach längerer Suche bin ich endlich fündig geworden: Es handelt sich wohl um Gustav Emil Mauerhoff (*5.5.1895, +? später wohnhaft in Dessau), der Mittelschule und Realgymnasium in Halle besucht hat und 1922 an der Uni Halle in Chemie zum Dr. phil. promoviert wurde. 1926 tritt er als angestellter Erfinder der I.G. Farben (Agfa in Wolfen) in Erscheinung (DRP 468604, DRP 468171) mit genau den Themen, die für Fujifilm später wichtig werden würden. Ob die IG Farben ihn 1934 auf die lange Dienstreise nach Japan entsandt haben, oder ob er das Abenteuer auf eigene Rechnung als unabhängiger Berater durchgeführt hat, ist eine spannende Frage, die leider hier unbeantwortet bleibt.

Bei KniPPsen weiterlesen Kleinbildfotografie aus der FilmperspektiveFilmhersteller (Teil 1), Filmhersteller (Teil 2)Fujica ST-801Fujinon Zoom, Fujica Rapid S2Konica TC-XKonica FS-1Konica C35VKonica C35AF,
Links Konica (Camera-wiki)Fujifilm History (englisch), Fuji Photo Film Co., Ltd. (50 year history, Japanisch, google translate verwenden)photoguide.jp-1920ies